Kabinendesign von Grund auf denken

2. Dezember 2022

Beitrag aus: Technik, Design, Mountain Manager, 06/2022

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Gestaltung und Umsetzung von Großkabinen oder Waggonaufbauten für Luftseilbahnen oder schienengebundene Systeme bergen große Herausforderungen, aber auch große Chancen für ambitionierte Designer und die jeweiligen Destinationen. Der Schweizer Fahrzeugdesigner Thomas Küchler erlangte mit seinen visionären Kabinen- und Waggon-Entwürfen – vor allem für CALAG Gangloff – internationale Aufmerksamkeit und errang damit zahlreiche Preise.

„Immer mehr Betreiber streben nach einem hochwertigen, eigenständigen Erscheinungsbild ihrer großen Zubringer- oder Verbindungsbahnen“, beobachtet der Schweizer Fahrzeugdesigner Thomas Küchler. Und natürlich stehen hier  Auzeiten von Social Media zunächst einmal die visuell markanten Fahrzeuge im Mittelpunkt: „Wer fotografiert sich schon vor einer Stütze oder im Stationsumlauf und grüßt damit seine Freunde oder Follower?“ Aber gutes Design ist eben weit mehr als der schnelle Effekt oder noch so spektakuläre Formen. „Die Fahrt muss zum Erlebnis werden – erst dann geht die Rechnung auf.“ Da wird der Ausblick schnell genauso wichtig wie der Anblick, auch deshalb sind großflächige
Fensterzonen und elegante Karosseriestrukturen prägendes Merkmal aller Küchler-Entwürfe. Und nicht zuletzt ein stimmiges Innendesign ist entscheidend für das gute „Fahrgefühl“ der Passagiere, wobei neben den einschlägigen technischen Vorschriften heute insbesondere die Barrierefreiheit und – je nach Projekt – auch die saisonübergreifende Nutzung durch Skifahrer, Biker, Wanderer oder Ausflügler unterschiedlichster Altersgruppen oder Mobilitätsgrade zu berücksichtigen sind. Und natürlich fällt auch der Begriff Nachhaltigkeit: „Oft folgen die neuen Bahnen auf Installationen, die über Jahrzehnte eine Destination prägten. Hier gilt es behutsam Traditionen aufzunehmen oder ganz bewusst damit zu brechen, das aber in einer Qualität, die wiederum über einen sehr langen Zeitraum eigene Akzente setzt.“ Dies bedarf  einer sehr engen Zusammenarbeit mit Bauherren, beteiligten Planern und Architekten Fahrzeugdesignern und Karosseriebauern sowie dem Seilbahnhersteller: Als „Nahrungskette“ umschreibt Thomas Küchler diesen Prozess, in dessen Verlauf sich die beteiligten Parteien immer wieder gegenseitig mit „Futter“ für den nächsten Projektschritt
versorgen. „Für meine Arbeit ist natürlich entscheidend, wo ich innerhalb dieser Nahrungskette stehe,“ erklärt Küchler, der sich als selbständiger Designer ohne großes Büro ganz bewusst als hochflexibler Ideengeber in allen designrelevanten Projektphasen versteht. Seit 2007 betreibt er sein eigenes Büro KUECHLER DESIGN in Bern und arbeitet neben dem Schwerpunkt Transportation Design auch für unterschiedliche Kunden in den Bereichen Interior
und Product Design.

„Kabinendesign von Grund auf denken“ ist das Ideal des Berner Kreativen: „Es ist ein Unterschied, ob man in die bereits fest stehende Seilbahntechnik, Stationsbauten und Trassenführungen nur noch eine Kabine ‚hinein zeichnet‘, oder ob die Gestaltung der Fahrzeuge bereits in einer frühen Projektphase auch von Ingenieuren und Architekten berücksichtigt werden kann.“ Ein wichtiger Schritt für Thomas Küchler war hier die enge Zusammenarbeit mit dem Fahrzeugbauer Gangloff, die sich bei Übernahme der Gangloff Großkabinen-, Waggon- und Spezialfahrzeug-Aktivitäten 2018 nahtlos auch mit der Calag Carrosserie Langenthal AG fortsetzte. „Ich kann meine Entwürfe jetzt viel präziser an technische
Notwendigkeiten anpassen und gleichzeitig gemeinsam mit den CALAG Gangloff- Spezialisten die Grenzen des Machbaren ausloten oder ganz bewusst verschieben.“

Neue Offenheit im Cabrio

Calag Gangloff Kabinenbau _ Stanserhornorn
Calag Gangloff Kabinenbau _ Stanserhorn

Wie wichtig diese enge Einbindung über die unterschiedlichen Projektphasen hinweg ist, zeigte sich besonders bei der Stanserhorn- Bahn CabriO, deren revolutionäre und nach wie vor einzigartigen Doppelstock- Kabinen mit offenem  berdeck Thomas Küchler renommierte Design-Preise im In- und Ausland einbrachten. In Diensten der Gangloff AG setzte er die Vision von Stanserhohn-Direktor Jürg Balsiger und dem Seilbahn-Ingenieur Reto Canale von
den ersten Skizzen bis zum baufertigen Entwurf um und folgte dabei gewissermaßen den Entwicklern bei Garaventa Schritt für Schritt ins seilbahntechnische Neuland. Insgesamt 17 Varianten durchliefen Technik und Entwurf bis zur endgültigen Ver sion, wobei insbesondere die Fahrwerks – anordnung, die Führung und der sichere Aufenthalt für 60 Passagiere sowie die Integration neuer Sicherheitstechnik (z. B. hydraulischer Lageausgleich) immer
wieder Anpassungen erforderten. Prägende Design elemente der frühen Entwürfe, wie  wie als „Schiffsdeck“ mit Blick auf den Vierwaldstätter See ausgeführte 2. Etage, der prägnante weiße Frame und die großflächige Verglasung blieben erhalten und begeistern nach wie vor die Fahrgäste der CabriO-Bahn, die pünktlich zum 10jährigen Jubiläum in diesem Jahr ihre 100.000 Fahrt zum inzwischen weltweit bekannten Zentralschweizer Ausflugsberg antrat.

Spektakuläres Heimspiel bis ins Detail

Nicht weniger internationale Strahlkraft besitzt Thomas Küchlers letztes Großprojekt, die Pilatus-Zahnradbahn, deren grundlegende Erneuerung bis ins kommende Jahr abgeschlossen wird. Selbst am Fuße des Luzerner Hausbergs aufgewachsen, erhielt er den Auftrag direkt von der Bahngesellschaft und gestaltete ab 2019 die neuen Waggons für die steilste Zahnradbahn der Welt. „Schnell war klar, dass wir die große Tradition der über 100jährigen Bahn, die
imposante Natur und natürlich das spektakuläre Erlebnis des bis zu 48° steilen Aufstiegs attraktiv verbinden wollten,“ erklärt Küchler. Dabei übernahm er neben der Außenhülle auch die Innengestaltung der insgesamt acht  neuen Waggons, deren Abmessungen trotz aufgestockter Passagierzahl aufgrund der gegebenen Tunnelprofile exakt dem Fahrmaterial aus den 30er Jahren entsprechen mussten.
Ausgehend von ersten Ideensammlungen und Skizzen auf einem sogenannten „Moodboard“ entwickelte Küchler gemeinsam mit einem Pilatus-internen Kernteam im regen Austausch den finalen „Key Sketch“. Dieser Entwurf auf Basis aller entscheidenden technischen Vorgaben definiert bereits sehr detailliert die Desgnmerkmale der neuen Aufbauten und dient als feste Leitschnur für alle weiteren Schritte im Designprozess und bei der konstruktiven Umsetzung der  Waggonaufbauten. Zuständig  dafür zeichneten die Spezialisten von CALAG Gangloff: „Als Designer kann ich Formen, Flächen und Materialien vorgeben, die entsprechenden Berechnungen und konstruktiven Details übernehmen dann die Ingenieure. Ich begleite diesen Prozess natürlich weiterhin und kann so wichtige Designdetails jederzeit an technische Notwendigkeiten anpassen,“ skizziert Thomas Küchler die erprobte Zusammenarbeit, die bei diesem Projekt insbesondere auch die Einhaltung der geltenden Eisenbahn- Normen betraf.

Für die neuen Triebwagen der Pilatus- Zahnradbahn liefert CALAG Gangloff gewichtsoptimierte Waggon-Aufbauten mit deutlich vergrößertem Raumangebot.
Der Waggon-Aufbau der neuen Pilatus- Triebwagen überzeugt mit einem hellen, platzökonomischen Innendesign.

Als echte Herausforderung erwiesen sich für die Fahrzeugbauer insbesondere die großen Glasflächen bis in das Fahrzeugdach hinein. Auf 18 Tonnen ist das Gesamtgewicht der von Stadler Rail gelieferten neuen 48-Personen-Triebwagen beschränkt, entsprechend leicht mussten die Aufbauten ausgeführt werden. „Nach eingehenden Tests durch Calag Gangloff entschieden wir uns für ein nur vier mm starkes Verbundglas, das alle Sicherheits-Anforderungen erfüllt und jetzt dennoch den gewünschten 360°-Ausblick ermöglicht.“ Auch der hochwertige „Saloncharakter“ des Innenraums der jeweils sechs Waggonabteile profitierte
vom guten Zusammenspiel: Die von Thomas Küchler entworfenen Formholz-Schalensitze mit hellen Stoffbezügen samt Pilatus- Logo finden ihre stimmige Ergänzung in Echtholz-Abteilböden. Als Alternative zum ÖV-typischen PVC wurde ein mehrschichtiges Hartholzfurnier auf einem speziellen Trägermaterial gewählt, das seine Eignung bezüglich der strengen Brandschutznormen in unabhängigen Prüfungen unter Beweis stellte.

Bereits seit Juni 2021 verkehren die ersten neuen Triebwagen am Pilatus im Testbetrieb – nach Auslieferung der letzten Garnituren bis Ende dieses Jahres soll die „neue Pilatus-Bahn“ mit vier Zügen in Doppeltraktion pünktlich zum Saisonstart im Sommer 2023 eröffnet werden.

Perspektiven im Seilbahn-Design
Bei all den Design-Highlights – zu denen mit der Verbindungsbahn Arosa-Lenzerheide auch die größten Pendelbahn-Kabinen der Schweiz mit 150 Personen zählen – welche Herausforderungen stellen sich Thomas Küchler noch, der für CALAG Gangloff auch die Gestaltung von Fahrzeugen und Anlagen für Freizeitparks oder anderer „Amusement Rides“ übernimmt und mit kühner Formensprache auch schon Bewegung in den Container-Einheitslook von Kassa-Kabinen
brachte. Etwa die Gestaltung von Großserien- Fahrzeugen bei Umlaufbahnen? „Hier hängt die Latte heute schon sehr hoch“, unterstreicht Küchler und stellt den Kollegen meist in Diensten der großen Seilbahnhersteller ein gutes Zeugnis aus: „Die aktuellen Baureihen sind heute sehr ausgereift, insbesondere was die modulare Einbindung unterschiedlicher Mobilitätsbedürfnisse betrifft.“ Glücklicherweise ist laut Küchler aber für alle visionären Destinationen und Designer das kreative Gestaltungspotenzial dieser spannenden Branche noch lange nicht ausgeschöpft.

Beitrag aus: Technik, Design, Mountain Manager, 06/2022

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